Digitale Transformation

Wien, 2017-04-22

Der Begriff „Digitalisierung“ ist in aller Munde und immer öfter ist Skepsis aus vielen Kommentaren zu hören, ob die Popularität dieses Begriffes gerechtfertigt ist.

Lassen Sie mich bei der Bedeutung des Begriffs „Digitalisierung“ beginnen. Unsere Realität, unser biologisches Leben ist analog, wir essen und trinken Nahrungsmittel, atmen Luft, sprechen mit Freunden und Familie, bauen Häuser und leben in Wohnungen, alles analog. Hören Musik, indem Schallwellen unser Trommelfell erreichen oder sehen unser Umwelt, indem Lichtwellen unsere Netzhaut treffen, alles analog. Um Wahrnehmungen wie Musik und Bilder für spätere Erinnerungen zu konservieren, hat man früher analoge Speichermedien verwendet, die Vinylschallplatte, das Magnetband, der Silberhalogenidfilm. Wollte man ein Haus bauen, so hat man zuerst ein Modell, einen Plan gezeichnet, analog mit Bleistift und Papier. Auch in der Computertechnik gab es analoge Entwicklungen zu Beginn.

Was war das Problem? Warum hat man zu den analogen Modellen und Speichermedien alternativen gesucht? Nun, alle analogen Modelle und Speichermedien waren in der Regel ungenau und beschränkt in der Wiedergabe der Realität und die Speicherung war nur von begrenzter Dauer und konnten leicht zerstört werden. Die Erstellung von Kopien der Speichermedien war zeitaufwendig und mit zusätzlichen Qualitätsverlusten behaftet.

Die Informationswissenschaft lieferte dazu eine Lösung – die Digitalisierung. Diese Methode ist in der Informationswissenschaft schon einige Jahrzehnte bekannt – also gar nichts Neues – und funktioniert nach folgendem Prinzip. Ein analoges Signal z.B. eine Schallwelle wird in kleine diskrete Abschnitte zerlegt und jeder dieser Abschnitte durch einen numerischen Wert dargestellt. Eine Maßzahl für die Anzahl dieser diskreten Abschnitte nennt man Auflösung. Ist die Auflösung grob, können wir das mit unseren Sinnesorganen erkennen. Ist die Auflösung so fein, dass sich diese unter der Wahrnehmungsgrenze der menschlichen Sinnesorgane befindet, sehen wir für uns beispielsweise ein perfektes Bild. Klingt einfach, hat aber einen Haken. Um die notwendige Auflösung zu erzielen, sind technische Einrichtungen erforderlich, die erst in den letzten Jahren so zur Verfügung stehen. Ein Beispiel ist die Kameraauflösung bei Mobiltelefonen. Die ersten Mobiltelefone mit eingebauter Kamera gab es um 2005 – also noch nicht so lange her. Auflösung ein paar Tausend Pixel, eine bemerkenswerte Errungenschaft zum damaligen Zeitpunkt aber die Bilder konnte man vor lauter Pixeligkeit nicht ansehen.

Die heutigen Smartphones haben Kameras mit 20 Megapixel, teilweise bis 40 Megapixel und haben enorme Akzeptanz. Die geschossenen Bilder werden auch sofort in die Cloud hochgeladen und sind dann in der ursprünglichen Qualität bis in alle Ewigkeit unverändert gespeichert. Alle Nachteile der analogen Modellierung und Speicherung sind somit ausgeräumt.

Was bedeutet dies nun für die Digitalisierung in Unternehmen? Wir bilden beispielsweise in unseren Buchhaltungen alle relevanten Geschäftsvorgänge ab. Wir stellen in der Buchhaltung ein möglichst genaues und vollständiges Modell der Realität her. In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts war dieses Modell analog. Buchhalter trugen handschriftlich Buchungssätze auf Kontoblättern ein und diese wurden zur Gewinn- und Verlustrechnung und zur Bilanz am Jahresende zusammengerechnet. Die Buchhaltung erfolgt nun schon lange in digitaler Form. Die Digitalisierung der Buchhaltung ist in den meisten Unternehmungen abgeschlossen. Es stellt sich nunmehr die Frage: Ist es möglich, alle Wertschöpfungsprozesse in einem Unternehmen zu digitalisieren und verändert sich mit so einem Vorhaben nicht mein Geschäftsmodell komplett?

Wir sehen uns daher mit einer echten strategischen und existentiellen Aufgabenstellung konfrontiert. Es geht also gar nicht darum, ob ich meine bestehenden Wertschöpfungsprozesse digitalisieren kann. Es geht auch nicht darum, was mit digitalen Wertschöpfungsprozessen alles möglich wäre.

Es geht darum, ob ich den von mir strategisch festgelegten Kundenbedarf noch besser mit digitalen Wertschöpfungsprozessen befriedigen kann. Beginnen Sie bei einem digitalen Transformationsvorhaben mit der Fragestellung:

  • Welchen Kundenbedarf möchte ich befriedigen?
  • Welches Problem – welche Herausforderung hat mein Kunde in diesem Zusammenhang?

Das Motto lautet: „Know Your Customer“

Erst wenn Sie diese Frage für sich beantwortet haben, geht’s in Richtung Digitalisierung und zwar beginnend von der Kundenschnittstelle. Hier ergibt sich erneut eine essentielle Fragestellung:

  • Wie möchte meine Kunde mit mir interagieren (in Bezug auf die zuvor festgelegte Leistung)?
  • Wie möchte er bestellen?
  • Wie möchte er über den Leistungsfortschritt informiert werden?
  • Wie möchte er die erbrachte Leistung verrechnet bekommen und wie will er diese bezahlen?

Das Motto lautet in dieser Phase: „Know Your Customer’s Interface“

Nach Beantwortung dieser Frage geht darum, die Kundenschnittstelle entsprechend auszugestalten, den Kunden einen möglichst einfachen und komfortablen Zugang zu meinem Leistungsportfolio zu gestalten und alle nachfolgenden Prozesse zur Leistungserbringung (=Wertschöpfung) so systemunterstützt, automatisiert und nahtlos (bis in die Buchhaltung) so zu gestalten, dass die Erwartungen des Kunden bei der Erbringung meiner Leistung übertroffen werden und die Prozesskostenstruktur zur Leistungserbringung so optimal wie nur möglich ist.

Der Begriff „Digitalisierung“ ist daher eigentlich der Informationswissenschaft entlehnt und steht für Vieles, insbesondere aber für intime Kenntnis der Kunden und Kundenbedürfnisse, konsequentes Prozessmanagement und damit einhergehende Automatisierung aller Prozesse durch eine technologische Systemunterstützung, die aufgrund der technischen Entwicklung bis vor kurzem nicht möglich war. Digitale Transformation fordert daher strategische, interdisziplinäre, ganzheitliche und generalistische, systemische Führung.

Wolfgang P. Kalny